Zwangsstörungen: Differenzialdiagnose

Beim Erstauftreten einer Zwangsstörung müssen im Rahmen der Diagnostik auch verschiedene Differenzialdiagnosen beachtet werden.

Dazu gehören einerseits andere psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressive Störungen, Angststörungen, die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung, die Hypochondrische Störung, schizophrene Erkrankungen oder die Körperdysmorphe Störung.

Darüber hinaus können verschiedene neurologische Erkrankungen sowie einige Medikamente zum Auftreten von Zwangssymptomen führen.

Depressionen und Angststörungen

Zwangssymptome können auch sekundär im Rahmen verschiedener psychischer Erkrankungen auftreten. Depressive Störungen können mit Grübelzwängen sowie vereinzelt auch anderen Zwangssymptomen einhergehen. Auch Angststörungen können mit bestimmten (Zwangs-)Ritualen einhergehen. So kennen z.B. viele Betroffene mit einer Sozialen Phobie, dass sie bewusst oder unbewusst ganz bestimmte Handlungen durchführen, um ihre Ängste in sozialen Situationen zu lindern.

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   • Depressive Störungen
   • Angststörungen

Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

Eine wichtige Differenzialdiagnose zur Zwangsstörung stellt die Zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5) dar. Bei letzterer handelt es sich um eine Persönlichkeitseigenschaft, die mit einem hohen Grad an Perfektionismus, Vorsicht, übertriebener Gewissenhaftigkeit und ständigen Kontrollen einhergeht. Von ihrem Umfeld werden die Betroffenen häufig als beharrlich, ordnungsliebend und halsstarrig beschrieben. Viele Betroffene kennen ein dauerhaftes Gefühl von Zweifel. Ein großer Teil der Betroffenen kennt auch beharrliche, unerwünschte Gedanken oder Impulse, die aber nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen.

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung kann auch parallel zu einer Zwangsstörung bestehen. Ca. 10-15% der Patienten mit einer Zwangsstörung haben die zusätzliche Diagnose einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung.

Weiterlesen: Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

Schizophrene Erkrankungen, Hypochondrische Störung und Körperdysmorphe Störung

Bei einer Zwangsstörung leiden die Betroffenen unter ihren Zwängen. Die Betroffenen sind sich auch zumeist bewusst, dass ihnen die Durchführung ihrer Zwänge zwar eine kurzfristige Reduktion der Anspannung bringen kann, dass die Zwänge aber langfristig keine realistische Lösung der Grundproblematik sind.

Dies ist eine wichtige Unterscheidung zu den schizophrenen Erkrankungen bzw. Psychosen sowie zur Hypochondrische Störung und zur Körperdysmorphen Störung. Auch bei diesen Erkrankungen können die Betroffenen Symptome erleben, die einer Zwangsstörung ähneln, wie z.B. Zwangsvorstellungen. Diese Symptome sind jedoch zumeist ich-synton und werden von den Betroffenen als “stimmig”, “sinnvoll” oder “notwendig” erlebt (wie z.B. die andauernde Abtastung eines eigenen Körperteils im Rahmen einer hypochondrischen Störung). Zudem haben die Zwangssymptome, die im Rahmen von psychotischen Störungen auftreten, meist einen sehr bizarren Inhalt.

Weiterlesen: Hypochondrische Störung

Somatische bzw. Neurologische Erkrankungen

Auch verschiedene neurologische Erkrankungen, die mit einer Schädigung der Basalganglien einhergehen, wie z.B. die Chorea minor (Sydenham), das Gilles-de-la-Tourette-Syndrom oder die Bilaterale Nekrose des Nucleus pallidus, können zum Auftreten von Zwangssymptomen führen. In seltenen Fällen treten Zwangssymptome auch nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder bei raumfordernden Prozessen im ZNS auf.

Slattery et al. berichten über eine erhöhte Prävalenz der Zwangsstörungen bei Patienten mit Systemischem Lupus Erythematodes (vgl. Slattery 2004).

Falls beim erstmaligen Auftreten einer Zwangssymptomatik der Verdacht auf eine hirnorganische Schädigung besteht, ist eine entsprechende neurologische und neuropsychologische Abklärung erforderlich.

Weiterlesen: Hypochondrische Störung

Medikamente

Dopaminerge Medikamente wie z.B. L-Dopa oder Amphetamine können zum Auftreten von Zwängen bzw. Zwangssymptomen führen.

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